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/Uwe Grötzner, stock.adobe.com

Lyon – Jede 25. Krebserkrankung ist weltweit auf den Konsum von Alkohol zurückzuführen, wobei in mehr als 3 von 4 Fällen Männer betroffen sind. Dies ergeben neue Berechnungen der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), die jetzt in Lancet Oncology (2021; DOI: 10.1016/S1470-2045(21)00279-5) veröffentlicht wurden.

Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass ein Alkoholkonsum das Risiko auf bestimmte Krebser­krankungen erhöhen kann. Laborstudien an Zellkulturen und Tierexperimente haben den Verdacht bestätigt, weshalb die IARC Alkohol und seinen Metaboliten Acetaldehyd als Gruppe-1-Karzinogene einstuft.

Ein Alkoholkonsum kann danach Krebserkrankungen an Lippen und Mundhöhle, in Rachenraum (Pharynx), Kehlkopf (Larynx), Speiseröhre, Dickdarm (Kolon), Enddarm (Rektum), Leber (hepatozelluläres Karzinom) und der weiblichen Brust (Mamma) verursachen.

Welcher Anteil der Krebserkrankungen auf den Alkoholkonsum zurückzuführen ist, ergibt sich aus dem Alkoholkonsum in den einzelnen Ländern und dem relativen Risiko für die einzelnen Krebserkran­kungen. Harriet Rumgay von der IARC in Lyon und Mitarbeiter haben diese „population‐attributable fraction“ (PAF) jetzt für die genannten Krebserkrankungen berechnet.

Die Basis bildeten die in epidemiologischen Studien ermittelten relativen Risiken und die von der WHO veröffentlichten Daten zum Alkoholkonsum in den Mitgliedsländern. Dabei wurde unter Annahme einer Latenzzeit von 10 Jahren für die Krebsentstehung der Alkoholkonsum des Jahres 2010 ausgewählt. Aus der PAF und der Gesamtzahl der Krebserkrankungen lässt sich dann die Zahl der durch den Alkohol verursachten Erkrankungen abschätzen.

Nach den Berechnungen der IARC-Mitarbeiter waren im Jahr 2020 schätzungsweise 741.300 Krebser­kran­­kungen auf den Alkoholkonsum zurückzuführen. Das wären 4,1 % aller Krebsfälle. Die Schätzungen sind allerdings relativ grob, was sich in einem breiten 95-%-Konfidenzintervall von 558.500 bis 951.200 bei der Gesamtzahl und von 3,1 % bis 5,3 % im PAF zeigt.

Rumgay und Mitarbeiter gehen davon aus, dass der tatsächliche Anteil noch höher liegt, da die WHO den Alkoholkonsum aus den Verkaufszahlen ermittelt. In vielen Ländern wird Alkohol jedoch von den Konsu­menten selbst gebrannt oder schwarz gehandelt. Der Anteil könnte laut WHO bei etwa 1/4 liegen.

Die häufigste durch Alkohol ausgelöste Krebserkrankung ist mit 189.700 Erkrankungen das Ösophagus­karzinom. Dieser Tumor ist fast zu 1/3 (PAF 31,6 %) auf den Alkoholkonsum zurückzuführen. Betroffen sind vor allem Männer (163.100 Erkrankungen), die in den meisten Ländern mehr Alkohol trinken als Frauen.

An 2. Stelle folgt Leberkrebs mit 154.700 Erkrankungen (PAF 17,3 %), wobei wiederum die meisten (141.300 Erkrankungen) auf Männer entfallen. Der dritthäufigste durch den Alkoholkonsum ausgelöste Krebs, das Mammakarzinom, tritt mit 98.300 Erkrankungen nur bei Frauen auf. Bei Frauen ist er damit der häufigste durch Alkohol ausgelöste Krebs. Die Ursache vermutet die Forschung in der durch den Alkohol­konsum gesteigerten Östrogenproduktion. Mit einer PAF von 4,4 % ist Alkohol jedoch nur für einen geringen Anteil aller Mammakarzinome verantwortlich.

Der vierthäufigste durch Alkohol ausgelöste Krebs ist mit 91.500 Fällen der Darmkrebs. Auch hier erkranken Männer (76.900 Fälle) häufiger als Frauen. Das gilt auch für Lippen- und Mundbodenkrebs (74.900 Fälle, davon 66.700 bei Männern), Rektumkrebs (65.100 Fälle, davon 57.300 bei Männern), Pharynxkrebs (39.400 Fälle, davon 37.000 bei Männern) und Larynxkrebs (27.600 Fälle, davon 26.400 bei Männern).

Auffällig ist, dass bis auf Brustkrebs und Larynxkrebs alle Krebsformen Organe betreffen, die bei der Passage durch den Magendarmtrakt und bei der Metabolisierung in der Leber, Alkohol in höheren Konzentrationen ausgesetzt sind, Alkohol könnte dort durch den direkten Kontakt mit der DNA der Zellen ein Krebswachstum auslösen. Im Bereich von Lippen, Mundhöhle, Pharynx und Larynx besteht häufig eine Verbindung zum Tabakrauchen. Eine Vermutung geht dahin, dass Alkohol als Lösungsmittel den Karzinogenen aus dem Tabakrauch das Eindringen in die Zellen erleichtert.

Das Krebsrisiko durch Alkohol ist dosisabhängig: Mäßiges Trinken (bis 20 g/Tag) war für 13,9 % der durch Alkohol ausgelösten Krebserkrankungen verantwortlich. Riskantes Trinken (20-60 g/Tag) erklärte 39,4 % und exzessives Trinken (über 20 g/Tag) 46,7 %.

Regional gibt es deutliche Unterschiede. Die höchsten PAFs aller Krebsfälle wurden in der Mongolei (9,8 %, bei Männern 15 %), China (6,2 %), Moldawien (7,9 %) und Rumänien (6,8 %) beobachtet: Ostasien (5,7 %) und Mittel- und Osteuropa (5,6 %) gehören zu den am stärksten betroffenen Regionen. In Ostasien ist das Allel ALDH2*2 verbreitet (das den Abbau von Acetaldehyd vermindert). In Osteuropa gibt es in vielen Ländern seit der Sowjetzeit ein Alkoholproblem.

Die niedrigsten PAFs fanden die Forscher in Nordafrika (0,3 %) und Westasien (0,7 %), wo (außer in Israel) der Alkoholkonsum aus religiös-kulturellen Gründen verpönt und teilweise sogar verboten ist, wie etwa in Kuwait, wo die PAF 0 % beträgt. In Deutschland liegt die PAF bei 4,0 %, wobei Männer mit 4,7 % stärker betroffen sind als Frauen mit 3,2 %.

Die Analyse ist eine Momentaufnahme, da sich der Alkoholkonsum in den letzten Jahren verändert hat. In vielen europäischen Ländern ist es zu einem Rückgang gekommen. In einigen asiatischen Ländern wie China und Indien sowie in Afrika südlich der Sahara nimmt der Alkoholkonsum dagegen zu. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die COVID-19-Pandemie in einigen Ländern zu einer Steigerung des Alkoholkonsums geführt hat. © rme/aerzteblatt.de

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