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London – Menschen, die seit ihrer frühen Jugend zu einem antisozialen Verhalten neigten, hatten in einer Langzeitstudie im Alter von 45 Jahren in der Magnetresonanz­tomografie eine kleinere Oberfläche und eine verminderte Dicke der Großhirnrinde. Eine prominente klinische Psychologin findet durch die in Lancet Psychiatry (2020; doi: 10.1016/S2215-0366(20)30002-X) vorgestellten Ergebnisse ihre Theorie einer „Entwicklungstaxonomie“ kriminellen Verhaltens bestätigt.

Die klinische Psychologin Terrie Moffitt vom University College London erforscht seit Jahrzehnten, was Menschen zu Straftätern macht. Grundlage ihrer Untersuchungen ist die „Dunedin Multidisciplinary Health and Development Study“, die in Neuseeland eine Gruppe von 1.037 Menschen des Geburtsjahrgangs 1972/73 seit der frühesten Kindheit begleitet.

Ab dem 7. Lebensjahr wurden regelmäßig Eltern und enge Bekannte zu antisozialen Eigenschaften der Teilnehmer befragt wie Kämpfe, Mobbing, Zerstörung von Eigentum, Lügen, Schulschwänzen/Arbeitsausfällen und Diebstahl.

Aus den Antworten hat Moffitt ein Modell für die Entstehung krimineller Karrieren entwickelt, das sie in der aktuellen Publikation als Entwicklungstaxonomie („developmental taxonomy“) bezeichnet.

Moffitt teilt die Menschen in 3 Gruppen. Neben der Mehrheit, die niemals durch antisoziales Verhalten auffällt, gibt es solche, die vorübergehend im Jugendalter auffällig sind („adolescent-limited“), und solche, bei denen sich das Verhalten im Erwachsenen­alter fortsetzt („life-course-persisting“). Im Alter von 45 Jahren wurden kürzlich 672 Teilnehmer der Studie mit einem leistungsstarken Magnetresonanztomografen (3 Tesla) untersucht.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Persister, in der Studie sind es 80 Teilnehmer (12 %), durch eine verminderte Oberfläche der kortikalen Hirnwindungen (181.205 mm2) von der Mehrheit der Menschen mit unauffälligem Verhalten unterscheidet (187.001 mm2). Die Differenz von etwa 3 % war gering, aber statistisch signifikant. Für die Personen, die nur im Jugendalter verhaltensauffällig waren, wurde keine Abweichung der Hirnoberfläche gefunden (186.208 mm2).

Ein 2. Unterschied war eine geringere mittlere Cortex-Dicke von 2,54 mm bei den Persistern versus 2,56 mm bei den unauffälligen Teilnehmern der Studie. Auch hier hatten die Personen, die nur im Jugendalter verhaltensauffällig waren (2,55 mm) einen „Normalwert“. Die Abweichungen betrafen in der Cortex-Oberfläche 282 von 360 anatomisch definierten „Parzellen“ und in der Cortex-Dicke 11 von 360 „Parzellen“.

Die Unterschiede in der Cortex-Dicke wurden zum einen im Stirnlappen (ventromedialer, präfrontaler und orbitofrontaler Cortex), den Entscheidungszentren des Gehirns („Exekutivfunktionen“), gefunden. Zum anderen waren der posteriore Gyrus cinguli und der Gyrus temporalis superior betroffen, die zu den emotionalen Zentren des Großhirns gehören. Die Ergebnisse lassen sich deshalb oberflächlich dahingehend deuten, dass Menschen mit antisozialem Verhalten Defizite in den exekutiven und den motivatorischen Funktionen aufweisen.

Was die Unterschiede verursacht, kann die Studie nicht klären. Zwillings- und Adoptions­studien gehen davon aus, dass ein Teil des antisozialen Verhaltens vererbt wird, ein Teil aber auf Umwelteinflüssen beruht. Dies können Traumata in der Kindheit sein oder vielleicht auch Erziehungseinflüsse (oder Ernährungseinflüsse, wie ein britischer Experte gegenüber dem Science Media Center in London meinte).

Interessanterweise wiesen die Teilnehmer, die nur während der Jugendzeit durch antisoziales Verhalten auffielen, in der Vorgeschichte häufiger Kopfverletzungen auf. Für die Persister war dies nicht erkennbar. Die Persister wiesen jedoch häufiger soziale Nachteile, einen verminderten IQ (um immerhin 10 Punkte im Wechsler-Test) und psychopatho­logische Auffälligkeiten (Internalisierung, Externalisierung, Denkstörungen) auf.

Auch psychiatrische Erkrankungen (Schizophrenie, Depressionen und Angststörungen) und eine Substanzabhängigkeit (Alkohol, Cannabis, Drogen) war bei ihnen teilweise deutlich häufiger. Moffitt glaubt zwar, dass diese Faktoren nicht die gesamten Abweich­ungen in der Hirnstruktur erklären, sie gehören aber zweifellos zu den Kernmerkmalen der Persister, schreibt die Expertin. © rme/aerzteblatt.de

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