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Dickdarm mit Karzinom /Kateryna_Kon, stock.adobe.com

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Ulm – Ob Methadon als Wirkverstärker einer Chemotherapie bei Krebs helfen kann, wurde in den letzten Jahren kontrovers diskutiert. Zum ersten Mal soll jetzt eine prospektive klinische Studie belastbare Antworten liefern. Die Deutsche Krebshilfe hat sich entschlossen, die Studie unter Leitung der Universitätsklinik Ulm bei Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs mit 1,6 Millionen Euro zu fördern.

Eingeschlossen in die Studie werden Patienten mit bereits metastasiertem Darmkrebs, bei denen die Chemotherapie nicht mehr anschlägt. „Die Krebszellen nehmen die Medikamente nicht mehr auf, sie sind widerstandsfähig geworden. Unsere Hypothese ist, dass Methadon den Tumor wieder empfindlich für die Chemotherapeutika macht – auch dann, wenn alle anderen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind“, erläutert der Studienleiter Thomas Seufferlein, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Ulm.

Entscheidend für die Wirkung sind die Opioid-Rezeptoren auf der Oberfläche von Krebszellen. An diese kann Methadon binden und seinen Effekt auf die Zelle entfalten. „Je höher die Anzahl der Rezeptoren auf der Zelle ist, desto empfänglicher ist sie für Methadon“, so Seufferlein. „Einmal angedockt, sorgt es in der Zellkultur dafür, dass die Chemo­therapeutika besser in die Zellen eindringen können – die Medikamente wirken damit effektiver. Wir hoffen, dass sich dieses Konzept auch auf die Patienten übertragen lässt.“

Dazu werden sie zunächst die Verträglichkeit des Methadons und die passende Dosis in Verbindung mit der Chemotherapie anhand einer kleinen Gruppe von Studienteilnehmern in Ulm, Hamburg und Mannheim untersuchen.

In der zweiten Phase der Studie werden etwa 70 Patienten in zwei Therapiearme aufgeteilt: Eine Gruppe erhält die Chemotherapie zusammen mit Methadon. Die Kontrollgruppe wird – wie bislang üblich – mit einer Chemotherapie sowie bei Bedarf mit Morphium oder anderen Schmerzmitteln behandelt werden.

Studie soll 2026 abgeschlossen sein

Nach einer bestimmten Zeit wird festgestellt, welche Patienten die besseren Behandlungs­ergebnisse aufweisen. „Dabei geht es zwar primär um den Therapieerfolg an sich – darüber hinaus möchten wir aber auch die Lebensqualität unserer Patienten im Auge behalten“, erklärt Seufferlein. Die Studie soll bis zum Jahr 2026 abgeschlossen werden. Erste belastbare Resultate könnten frühestens Anfang 2022 vorliegen.

Die Annahme der Wirkverstärkung durch Methadon stützt sich auf experimentelle Forschungen der Chemikerin Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm. 2008 kam sie zu dem Schluss, dass Blutkrebszellen vermehrt absterben und ihre Widerstandskraft gegen die Chemotherapie abnimmt, wenn sie mit Methadon behandelt werden. Spätere Forschungen mit Zellkulturen anderer Tumoren schienen die Vermutung zu erhärten. Einige Forschungsgruppen konnten die Ergebnisse hingegen nicht bestätigen (Cancer Chemotherapy and Pharmacology 2019).

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Seit 2017 setzen immer mehr Hirntumorpatienten ihre letzte Hoffnung auf Methadon. Inzwischen liegen neue Zellkulturstudien aus Heidelberg und München vor. Sie zeigen ein weit komplexeres Bild, als bisherige Studien vermuten ließen. Für ein paar Monate war es still geworden um den Methadon-Hype, den Medienberichte im Sommer 2017 verursacht hatten. Jetzt könnte die Debatte um den potenziellen

Ob Methadon tatsächlich dazu führt, dass bestimmte Chemotherapeutika besser in die Krebszellen eindringen und dadurch effektiver wirken kann soll jetzt erstmals im Rahmen einer kontrollierten Multicenterstudie untersucht werden. Die Betonung liegt für Seufferlein auf „ob“: „Ich sehe die Studie wirklich komplett ergebnisoffen.“ Zudem würden Resultate allein für die Situation eines fortgeschrittenen Dickdarmkrebses und nicht für andere Tumorarten sowie allein für das konkrete Chemotherapeutikum und die konkrete Dosierung von Methadon gelten. „Man kann die Ergebnisse dann weder in die eine noch in die andere Richtung generalisieren“, ergänzt der Ulmer Arzt.

Zu einem Ansturm auf Methadon und einer Welle der Hoffnung auf Heilung war es 2017 gekommen, nachdem Claudia Friesen im Fernsehen von ihren Ergebnissen aus Zellkultur­studien berichtet hatte und zudem in Medien auf Fälle hingewiesen worden war, in denen Krebspatienten nach Methadoneinnahme eine Besserung erfahren haben sollen. Klar war damals schon, dass Einzelfälle in der Medizin nicht als Beweis für die Wirksamkeit eines noch weitgehend unerprobten Mittels gelten können.

Entsprechend deutlich war und ist die Kritik vieler Onkologen und Fachgesellschaften. Vor einem unseriösen „Methadon-Hype“ warnte etwa Wolfgang Wick, Direktor der Neurologischen Uniklinik Heidelberg und Leiter einer Forschungsabteilung am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Wenn Vermutungen ohne gesicherte Datenlage in der Öffentlichkeit diskutiert würden, könnten Patienten leicht das Gefühl bekommen, von bereits bestehenden Möglichkeiten abgeschnitten zu werden, mahnte er.

Die Langzeitstudie in Ulm begrüßt Wick: „Die Idee, dass man da mit einer zusätzlichen Behandlung eine gewisse Chemosensibilisierung erreicht, finde ich beim Darmkrebs plausibler als bei Hirntumoren.“ Wünschenswert wäre es, so Wick, dass auch entsprechende Forschungen zu Hirntumoren sowie zu anderen Krebsarten stärker gefördert würden. Auch sein Klinikum hatte zusammen mit anderen Universitätskliniken bereits einen Antrag für eine klinische Studie bei der Deutschen Krebshilfe bei Hirntumorpatienten gestellt, der neben Methadon noch weitere Therapien untersuchen sollte. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt. Die Deutsche Krebshilfe hatte unter anderem Zweifel geäußert, „ob die Fragestellung(en) mit dem vorgeschlagenen komplexen Studiendesign (7-armig) beantwortet werden können.“

Bundesregierung ist offen für die Förderung klinischer Studien

Methadon hat bei vielen Patienten große Hoffnungen ausgelöst: Rund 53.000 Menschen unterzeichneten eine Petition mit der Forderung nach weiterführenden Studien zur Wirksamkeit der Substanz. Im Petitionsausschuss des Bundestages erklärten Vertreter des Forschungsministeriums, die Bundesregierung stehe „der Förderung klinischer Studien zum Einsatz von Methadon in der Krebstherapie offen gegenüber“. Auch die Bundestags­abgeordnete und Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, Hilde Mattheis (SPD) begrüßt die Förderung durch die Deutsche Krebshilfe, fordert aber, die Forschungen in diesem Bereich noch auszuweiten.

Noch gibt es keinen endgültigen Beschluss zur staatlichen Finanzierung. Aber mit der Entscheidung zur Förderung einer ersten klinischen Studie zu einer möglichen Methadon-Wirkung bei Darmkrebs ist ein Anfang gemacht. „Wir brauchen mehr klinische Studien, um prüfen zu können, ob sich das Wachstum von Tumoren oder die Bildung weiterer Metastasen mit Methadon auch bei anderen Krebsarten besser eindämmen lassen als allein mit Chemotherapeutika“, sagt Friesen. „Ergebnisse bei einer Krebsart können nicht auf andere übertragen werden. Deshalb ist die staatliche Finanzierung dringend nötig.“ © gie/dpa/aerzteblatt.de

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