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Seit der erfolgreichen Transplantation des ‚Berliner Patienten‘ wird versucht, diesen Fall zu reproduzieren: einen HIV-Patienten ohne Medikation und dennoch ohne nachweisbare Viren im Blut. /dpa
London – Der „Berliner Patient“ Timothy Ray Brown galt bisher als weltweiter Einzelfall, der von einer HIV-Infektion geheilt werden konnte. Einer Studie in Nature zufolge könnte es nun einen zweiten Fall in London geben (2019; doi: 10.1038/s41586-019-1027-4).
Der britische HIV-Patient befindet sich seit 18 Monaten ohne eine HIV-Therapie in Remission. Er weist keinerlei Symptome der Infektion auf, und es ist kein Virus nachweisbar. Die Londoner Ärzte hatten ihn nach dem gleichen Prinzip behandelt wie damals die Berliner Kollegen von der Charité. „Dies ist ein ermutigendes Zeichen, aber kein Beweis für eine Heilung“, sagt der Virologe Hans-Georg Kräusslich vom Universitätsklinikum Heidelberg. Das sogenannte Mississippi Baby hatte 27 Monate nach Ende der Therapie keine nachweisbare Virusmenge. Danach trat das Virus jedoch wieder auf. Von einer vorzeitigen Heilung möchten auch die Autoren der Studie noch nicht sprechen.
HIV-Resistenz: Bei Menschen mit einer CCR5-Gendeletion wird dieser Rezeptor auf T-Zellen fehlerhaft und somit funktionslos gebildet. Das HI-Virus dringt über diesen Rezeptor in die Immunzellen ein. Einige HIV-Stämme nutzen aber auch einen anderen Rezeptor, den CXCR-4-Korezeptor.
Der HIV-Patient des aktuellen Fallberichts war an einem Lymphdrüsenkrebs, dem Hodgin-Lymphom, erkrankt, für dessen Therapie die Ärzte Knochenmark transplantierten. Der ausgewählte Spender der Stammzellen trug eine genetische Veränderung – er war CCR5-negativ. Diese Mutation tritt etwa bei 1 % der Bevölkerung auf und geht in den meisten Fällen mit einer Resistenz gegen eine HIV-Infektion einher (siehe Kasten). Diese Resistenz übertrug sich mit der Stammzelltransplantation auf den Empfänger. Im Gegensatz zum Berliner Patienten lag beim Londoner Patienten das CCR5-Gen bereits heterozygot in mutierter Form vor. Der Londoner Patient erhielt zudem keine Ganzkörperbestrahlung vor der Transplantation.
Nach der Transplantation behandelten die Ärzte den Patienten 16 weitere Monate gegen HIV mit einer antiretroviralen Therapie. Mittlerweile sind weitere 18 Monate vergangen, seit er diese Therapie abgesetzt hat und in denen er keine Symptome der HIV-Infektion zeigt.
Die Knochenmarktransplantation mit dem Ziel der Heilung von HIV wird eine große Ausnahme bleiben. Gerd Fäktenheuer, Uniklinik Köln
Stammzelltherapie nur für HIV-Patienten mit hämatologischer Erkrankung
Trotz der großen Bedeutung dieses Ergebnisses für die wissenschaftliche Evidenz wird die Transplantation mit Stammzellen auch künftig keine Option für die Heilung der HIV-Infektion darstellen, ist sich Kräusslich sicher. „Es handelt sich auch bei der weniger aggressiven Vorbehandlung immer noch um einen massiven Eingriff mit langem Krankenhausaufenthalt und signifikantem Risiko, der angesichts einer in der Regel gut verträglichen und langfristig wirksamen antiviralen Therapie nicht vertretbar wäre“, erklärt der Direktor der Abteilung Virologie vom Universitätsklinikum Heidelberg. Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, Gerd Fäktenheuer, schließt sich dieser Einschätzung an: „Die Knochenmarktransplantation mit dem Ziel der Heilung von HIV wird eine große Ausnahme bleiben.“
In der Vergangenheit seien einige Patienten, die die gleiche Behandlung erhalten hatten, früh an Komplikationen oder Rückfällen verstorben, warnt auch Gero Hütter von der Berliner Charité. Er war 2008 behandelnder Arzt von Timothy Ray Brown. Wenn allerdings bei HIV-Patienten eine zusätzliche Erkrankung auftritt, die eine Stammzelltransplantation erfordert, sollte nach Kräusslichs Ansicht versucht werden, einen passenden Spender mit CCR5-Deletion zu finden.
Gentherapie als weitere Möglichkeit
Eine andere Option, die derzeit untersucht wird, ist die Gentherapie. Hierbei versuchen Forscher, das mutierte CCR5-Gen mithilfe der Genschere CRISPR/Cas in die Stammzellen des Patienten zu schleusen. „Allerdings erreicht die Gentherapie nur einen Teil der Stammzellen, sodass aktuell nicht damit zu rechnen ist, dass hierdurch gleichwertige Erfolge zu erzielen sein werden. Man sollte sie eher als einen von mehreren Bausteinen betrachten“, sagt Kräusslich. Die Versuche des chinesischen Forschers He Jiankui an der menschlichen Keimbahn zielten ebenfalls in diese Richtung und stehen bis heute unter starker Kritik.
Nach Hütters Ansicht stärkt der Londoner Patientenfall auch die Entwicklung gentherapeutischer Therapien, die für Patienten risikoärmer wären. Denn die lange wissenschaftliche Kontroverse um den Berliner Patienten – ob nicht patientenseitige Faktoren zur Heilung geführt hätten – hätte eine Wiederholung ausgeschlossen. „Dieser neue erfolgreiche Fall deutet jedoch eher darauf hin, dass es durch die Auswahl des Transplantates, das keine Angriffspunkte für HIV lieferte, zu dieser Heilung gekommen ist“, erklärt der inzwischen Ärztliche Leiter der Cellex GmbH. © gie/aerzteblatt.de
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