[ad_1]

http://www.aerzteblatt.de/

/ngaga35, stock.adobe.com

Berlin – Neuartige Arzneimitteltherapien mit Kosten von rund zwei Millionen Euro wie im Fall der Gentherapie Zolgensma beeinträchtigen zunehmend die Balance zwischen den Interessen der pharmazeutischen Industrie und denen der gesetzlichen Krankenver­sicherung (GKV).

Deshalb sollte man darüber diskutieren, ob es nicht im Fall bestimmter Präparate ange­messen sei, eine vierte Hürde einzuführen und deren Erstattungsfähigkeit daran zu knüpfen, ob der Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten steht. Das hat der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen heute bei der Handelsblatt-Jahrestagung „Pharma 2020“ in Berlin angeregt.

Politisch sei dieser Vorschlag zwar zurzeit nicht durchsetzbar, räumte Wasem ein. Überle­genswert sei er aber schon, insbesondere für Arzneimittel, die nicht bei einer lebens­be­drohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung eingesetzt würden, für die es keine Behandlungsalternative gebe.

Der Interessenausgleich zwischen Industrie und Kostenträgern werde gerade in jüngster Zeit zusätzlich dadurch belastet, das vermehrt Arzneimittel mit schwacher Evidenz für ihre Wirksamkeit auf den Markt gelangten, beispielsweise, weil im Fall von seltenen Er­krankungen ein neues Arzneimittel an nur wenigen Probanden getestet oder es aufgrund eines dringenden medizinischen Bedarfs beschleunigt zugelassen wurde.

Gibt es Grenzen der Zahlungsbereitschaft?

Die meisten dieser Innovationen verursachten aber hohe Jahrestherapiekosten, erklärte Wasem. „Die Balance ist in Gefahr und wir müssen über den Umgang damit nachdenken.“ Die Gesellschaft müsse sich die Frage stellen, ob es nach einer Gegenüberstellung von Kosten und Behandlungsergebnis Grenzen der Zahlungsbereitschaft gebe.

Jenseits einer vierten Hürde regte der Gesundheitsökonom an, über innovative Erstatt­ungs­­modelle nachzudenken. So seien Modelle denkbar, bei denen der Preis sich der Evi­denz anpasse. Auch Erkenntnisse über patientenrelevante Behandlungsergebnisse könn­ten sich auf die Höhe des Preises niederschlagen. Denkbar seien darüber hinaus auch kos­ten­orientierte Modelle wie die Einführung von Erstattungsobergrenzen oder Mengen­rabatte.

Bevor man Rationierungsentscheidungen treffe und bestimmte Präparate aufgrund ihres Kosten-Nutzen-Verhältnisses von der Erstattungsfähigkeit ausschließe, sollten andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden, forderte Antje Haas, Abteilungsleiterin Arznei- und Heilmittel beim GKV-Spitzenverband.

So könne man beispielsweise darüber nachdenken, im Rahmen der frühen Nutzen­bewer­tung die Erstattungsfähigkeit auf die Indikationen zu beschränken, für die ein Zusatznut­zen belegt sei. Auch eine Preisanpassung aufgrund weiterer Daten, die nach der Zulass­ung generiert würden, sei denkbar. Diese Möglichkeit eröffne das Gesetz für mehr Sicher­heit in der Arzneimittelversorgung.

Haas stellte zudem grundsätzlich die Preispolitik der Pharmaunternehmen infrage. In der Vergangenheit hätten diese hohe Preise mit den Aufwendungen für Forschung und Ent­wicklung gerechtfertigt. Inzwischen werde gerade im Bereich der „angstbeladenen Krank­heiten“ wie Krebs das Modell des sogenannten Value Based Pricing angewendet, bei dem sich der Preis am Nutzen für die Gesellschaft orientiere.

„Das kann nicht die Zukunft sein, gerade angesichts der oft geringen Evidenz“, erklärte die Arzneimittelexpertin. Sie stellte zugleich die Frage, was geschehen würde, wenn auch andere Wirtschaftszweige dieses Preismodell für lebensnotwendige Güter anwenden wür­­den. „Dazu gehört auch unser Trinkwasser“, sagte Haas.

Ziel müsse es sein, Preismodelle zu finden, die sowohl der Industrie als auch den Kassen Planungssicherheit böten. Denkbar sei zum Beispiel die Orientierung an europäischen Durchschnittspreisen, gewichtet nach der Wirtschaftskraft der Länder, aber auch ein Inno­vationsbonus für Arzneimittel gegen häufige schwere oder chronische Erkrankungen.

Der Aufwand für innovative Erstattungsmodele muss vertretbar sein

Für Therapien, deren Ergebnisse zeitnah vorlägen und gut messbar seien, böten sich auch Vertragslösungen zwischen Unternehmen und Krankenkassen an. Daneben würden er­folgs­abhängige Rabatt- oder Rückerstattungsmodelle erprobt. „Innovative Preisbil­dungs­modelle werden sich aber nur dann durchsetzen, wenn der Aufwand vertretbar ist, den man dafür betreiben muss“, warnte Haas.

Eine Standardlösung gebe es nicht, erklärte Mathias Muth, Head Oncology Care Manage­ment bei Novartis. Das Unternehmen hat mit der GWQ, einer Dienstleistungsgesellschaft von 25 Betriebs- und Innungskrankenkassen, ein Erstattungsmodell für die CAR-T-Zellthe­rapie vereinbart.

Demnach erstattet Novartis einen Teil der Arzneimittelkosten, wenn innerhalb einer be­stimmten Zeit das Therapieergebnis „Überleben“ nicht eintritt. Wenn man solche Pay-for-Outcome-Verträge abschließen wolle, müsse man sich jedes Produkt einzeln anschauen, ob es dafür geeignet sei, sagte Muth.

Als Lösungsansatz für ein „sehr schmales Feld“ bezeichnete auch Barthold Deiters, Leiter Arzneimittel der GWQ, derartige Pay-for-Outcome-Verträge. „Wir brauchen nachhaltigere Ansätze.“ So könne sich beispielsweise der Preis am Mortalitätsrisiko einer Indikation orientieren. „Es muss jedenfalls etwas passieren. Uns laufen die Preise davon“, sagte Dei­ters. © HK/aerzteblatt.de

[ad_2]

Source link