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Berlin – Tendenziell negativ – so bewertet der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) die Optische Kohärenztomographie (OCT), die Augenärzte als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) teilweise zur Glaukom-Früherkennung anbieten. Darüber ist ein Streit mit den Ärzten entbrannt.
Der MDS hatte heute zuvor bei der Vorstellung seines aktuellen IGeL-Monitors in Berlin den Ärzten – insbesondere den Augenärzten vorgeworfen –, sich häufig nicht an allseits anerkannte Regeln für den Verkauf von IGeL-Leistungen zu halten.
„Stattdessen wird ausgesprochen unseriöses Marketing betrieben und selbst vulnerable Patientengruppen wie ältere Menschen, Patienten mit wenig Geld und Versicherte in ländlichen Regionen mit wenig Praxisangebot fühlen sich unter Druck gesetzt“, sagte Peter Pick, Geschäftsführer des MDS.
Es gehe nicht um eine pauschale Anklage an alle Augenärzte, relativierte Pick, aber „um eine relevante Anzahl“. „Daher appellieren wir an die Ärzteschaft, sich an die anerkannten Regeln zu halten und zu einem seriösen Umgang mit IGeL zurückzukehren.“
Hohes Informationsbedürfnis
Insgesamt boome der Markt für Individuelle Gesundheitsleistungen, analysierte Pick vor der Presse. Rund eine Milliarde Euro setzten Arztpraxen damit im Jahr um. Gleichzeitig steige das Informationsbedürfnis der Versicherten: Täglich informieren sich knapp 2.000 Besucher auf dem Internetportal des MDS zum IGeL-Monitor.
Besonders groß sei das Informationsbedürfnis bei IGeL in der Augenarztpraxis. „Von den insgesamt 51 Bewertungen im IGeL-Monitor werden die beiden bisherigen Bewertungen zur Glaukom-Früherkennung am meisten abgerufen – sie machen rund 15 Prozent der Seitenabrufe aus. Bei den Zuschriften von Versicherten an den IGeL-Monitor thematisieren knapp 40 Prozent augenärztliche IGeL“, erklärte Pick.
MDS sieht Schadenspotenzial
Der MDS recherchierte deshalb, ob die Optische Kohärenztomographie (OCT) als Früherkennungsuntersuchung verhindern kann, dass Menschen wegen eines Glaukoms erblinden. Aussagefähigen Studien konnten die Experten nicht finden. Stattdessen seien indirekte Schäden durch Überdiagnosen bei der OCT zur Glaukom-Früherkennung zu erwarten, heißt in ihrer Stellungnahme.
Auch eine Nachfrage bei Augenärzten zum Stellenwert der OCT als Früherkennungsmethode hätte ergeben, dass der Einsatz skeptisch gesehen wird, erklärte Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs Evidenzbasierte Medizin beim MDS, in Berlin. Die tägliche Praxis zeige aber ein anderes Bild: „Unsere Recherche auf den Webseiten von 100 Augenarztpraxen zeigt, dass 80 Prozent der Praxen die OCT anbieten, davon 58 Prozent für das Glaukom und 35 Prozent explizit zur Glaukom-Früherkennung.“
Ärzte: Untersuchung nicht belastend
Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) wies die Vorwürfe heute in einer Stellungnahme umgehend zurück. „Der BVA empfiehlt OCT-Untersuchungen bei Glaukomverdacht zur weiteren Abklärung und zur Verlaufskontrolle bei bestehendem Glaukom. Für die Früherkennung hat sich die Kombination aus der Untersuchung des Sehnervenkopfes an der Spaltlampe und der Augeninnendruck-Messung bewährt“, betonte der BVA-Vorsitzende Bernd Bertram.
Die OCT sei eine für die Patienten nicht belastende Untersuchung, die hochauflösende Bilder liefere, erläuterte Peter Heinz, 2. BVA-Vorsitzender. Neben ihr gebe es noch andere Untersuchungsverfahren wie die Retinatomographie (HRT), die für die Verlaufskontrolle des Glaukoms geeignet seien. Die Krankenkassen bezahlten diese Untersuchungen in der Regel aber nicht.
„Gerade, weil die OCT ein noch relativ neues, modernes Verfahren ist, gibt es bisher noch wenige abgeschlossene Studien“, sagte Heinz. Auch beim Einsatz der OCT für die Untersuchung anderer Augenkrankheiten, wie der altersabhängigen Makuladegeneration, hätten sich die Krankenkassen unter Verweis auf fehlende Studien lange gesträubt, die Kosten zu übernehmen.
Fachärzte empört
Auch der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) wehrt sich gegen heutige „Generalverurteilung“ von IGeL-Leistungen „Nach dem Motto ‚Und jährlich grüßt das Murmeltier‘ machen die gesetzlichen Krankenkassen mit dem veröffentlichten Monitor pauschal ärztliche Leistungen verächtlich und verunsichern damit die Patienten“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des SpiFa, Lars Lindemann.
Mit der immer wiederkehrenden Kritik der Krankenkassen würden so nicht nur Verlangensleistungen, sondern auch medizinisch notwendige Leistungen diskreditiert, die schon längst in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hätten aufgenommen werden müssten.
„Wir sollten dem mündigen Patienten zutrauen, selbst zu entscheiden, ob er eine von seinem Arzt als medizinisch sinnvoll empfohlene Leistung in Anspruch nehmen und zusätzlich bezahlen möchte. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist ein hohes Gut und sollte nicht mit solch generalisierenden Aussagen beschädigt werden,“ so Lindemann.
Bisher 51 Bewertungen
Der IGeL-Monitor stellt auf seinem Informationsportal insgesamt 51 Bewertungen und vier Beschreibungen zur Verfügung. Das Wissenschaftlerteam bewertet vier IGeL als „negativ“ – hier sei der Schaden deutlich größer als der Nutzen, wie zum Beispiel beim Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung. 22 IGeL werden als „tendenziell negativ“ eingestuft.
Der zu erwartende Schaden sei dabei größer als der Nutzen – dazu gehört auch die jüngste Bewertung zur OCT. 20 IGeL schnitten mit „unklar“ ab, weil es keine aussagekräftigen Studien gibt oder sich Schaden und Nutzen die Waage halten, zum Beispiel der M2-PK-Test zur Darmkrebsfrüherkennung. Das IGeL-Monitor-Team bewertet aktuell lediglich zwei IGeL mit „tendenziell positiv“. Dazu gehört die Akupunktur zur Migräneprophylaxe. © ER/aerzteblatt.de
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