Ich hatte das Vergnügen am 18. November 2016 den Fachvortrag: „Cannabis und Cannabinoide in der Medizin“ von Dr. med. Franjo Grotenhermen hören zu dürfen. Die Veranstaltung in Berlin-Wannsee richtete sich primär an Ärztinnen und Ärzte und war mit 5 Punkten CME-zertifiziert. Eine seiner Folien bzw. die untere Hälfte möchte ich hier etwas weiter ausführen.

Die Tabelle stammt von Mahmoud A. ElSohly und finde sich in einer ausführlicheren Version im Kapitel „Chemical Constituents of Cannabis“ von „Cannabis and Cannabinoids: Pharmacology, Toxicology, and Therapeutic Potential“ von Franjo Grotenhermen, Ethan Russo. Die deutsche Übersetzung „Cannabis und Cannabinoide: Pharmakologie, Toxikologie und therapeutisches Potenzial“ bietet leider keinen vergleichbaren Preview. In einer Stellungnahme an den hessischen Landtag hat Grotenhermen die ausführlichere Version übersetzt und mit Text ergänzt (Seite 30 der PDF). Diese Version soll in diesem Artikel als Grundlage dienen.

Folie: Cannabis Charakteristika

Etwa 500 Verbindungen wurden in den letzten 50 Jahren in Cannabispflanzen nachgewiesen. Nicht alle Verbindungen, dies gilt insbesondere für die Cannabinoide, kommen in jeder einzelnen Pflanze vor. Die Inhaltsstoffe und ihre Konzentration unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Pflanzen weltweit, den regionalen Populationen und gezüchteten Sorten. Einige Stoffe wie Delta-8-THC kommen nicht in der Pflanze vor, sondern sind ein Ergebnis der Analyse. Es wird vermutet dass im Labor aus instabilerem Delta-9-THC das Delta-8-THC wird und als Artefakt in der Analyse erscheint. Die meisten Inhaltsstoffe kommen in anderen Pflanzen vor, teilweise sind sie ubiquitär („überall vorkommend“) in Lebewesen.

Tabelle: Chemische Bestandteile von Cannabis.
Chemische KlasseAnzahl der bekannten Verbindungen
Cannabinoideüber 100
Stickstoffverbindungen27
Aminosäuren18
Proteine, Glykoproteine und Enzyme11
Zucker und verwandte Verbindungen34
Hydrocarbone50
Einfache Alkohole7
Einfache Aldehyde12
Einfache Ketone13
Einfache Säuren21
Fettsäuren22
Einfache Ester und Laktone13
Steroide11
Terpeneüber 200
Nichtcannabinoide Phenole25
Flavonoide21
Vitamine1
Pigmente2
Elemente9
Gesamtetwa 600

Was ist von Relevanz?

Im erwähnten Buch werden die Stoffe nacheinander vorgestellt, was allerdings wenig Mehrwert bringt.

Zu den Stoffgruppen: Einige der chemischen Klassen sind Unterklassen anderer. So sind Flavonoide ebenfalls Phenole und Steroide eine Unterklasse der Terpene.

Ob die Kombination gefundener Elemente bemerkenswert ist, kann ich nicht einschätzen.

Cannabis als Nahrungsmittel

Die Fettsäuren von Hanf spielen primär bei der Verwendung als Lebens- und Futtermittel sowie in der Kosmetik eine Rolle. Die Steroide gehören alle zur Klasse der Sterine. Phytosterine sind bei der ernährungsphysiologisch Wirkung von Pflanzenfetten relevant. Das Hanfprotein enthält mit fünf Ausnahmen alle Aminosäuren, es fehlt u.a. das essenzielle Lysin.

Triviale Stoffe und Klassen

Die Aminosäuren, Zucker, Alkohole uvm. kommen in zahlreichen Organismen vor. Cannabis ist hier eine Pflanze wie viele andere. Es findet sich kein Hinweis auf Besonderheiten bei der gefundenen Zusammensetzung im Hanf.

Vitamin K1 und die Pigmente Carotin und Xanthophylle für Pflanzen bei der Photosynthese unverzichtbar.

Organische Stickstoffverbindungen gehören zu den biochemischen Grundbausteinen.

Welche Stoffe kommen nur in Cannabis vor?

Einige Spiro-Verbindungen (Phenole) kaum erforscht, Relevanz und Konzentration unbekannt

Das Spermidin Alkaloid Cannabisativine und Anhydrocannabisativine (Stickstoffverbindungen), kaum erforscht, Relevanz und Konzentration unbekannt

Flavonoide

Terpene

Cannabinoide

Warum kommen bestimmte Stoffe in Cannabis vor?

Schutz vor Fressfeinden und Krankheitserregern?

Schutz vor UV-Strahlung
Lockstoff (Terpene)

Wie gehören die Stoffe und Stoffklassen zusammen?

Die relevante Verbindungen gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen. Darunter fallen:

Phenolische Verbindungen wie die Phenole oder Glykoside mit der Unterklasse Flavonoide

Zu den Phenolen zählen auch die Tannine und andere Aromen (Duft und Geschmack des Weines), Salicylsäure und Vanillin. Beispiele für Glykoside sind in Weidenrinden Salicin oder die Herzglycoside in Fingerhüten und Maiglöckchen.

Tee und Hopfen enthalten ebenfalls Tannine.

Isoprenoide Verbindungen wie Terpene und Steroide

Alkaloide – Diese Stickstoffverbindungen sind in vielen Drogenpflanzen der Hauptwirkstoff wie z.B. Kokain, Koffein und Nicotin, aber auch Capsaicin. Cannabinoide enthalten keinen Stickstoff und sind deswegen keine Alkaloide. In Cannabis finden sich nur die beiden erwähnten Spermidin Alkaloide.

Siehe auch:

Mehr zu den sonstigen Verbindungen in Cannabis: Polyketide synthases in Cannabis sativa L.

Übersichtsarbeit: A historical overview of chemical research on cannabinoids – Raphael Mechoulam, Lumı´r Hanus

Originalbericht