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Cambridge/Massachusetts, San Diego, Hinxton, Cambridge/England und Heidelberg – Das „Pan-Cancer-Projekt“, an dem sich mehr als 1.300 Forscher aus 37 Ländern betei­ligten, hat 2.658 komplette Genome von 38 verschiedenen Krebsarten analysiert. Die in 23 Artikeln in Nature und anderen Fachzeitschriften vorgestellten Ergebnisse sollen das Verständnis von Krebserkrankungen, an denen im Verlauf des Lebens 40 % aller Men­schen erkranken, verbessern.

Krebs ist die Folge von Softwarefehlern in der menschlichen DNA. Meist laufen mehrere Programme der Zelle gleichzeitig aus dem Ruder: Die Zellteilung wird angekurbelt, die Zellen entgehen einem programmierten Zelltod (Apoptose), Gewebegrenzen werden durchbrochen und das Immunsystem ausgetrickst.

Alle diese Vorgänge werden von der DNA der Krebszelle gesteuert und von der Boten-RNA vermittelt. Von der Analyse der DNA verspricht sich die Forschung deshalb ein tieferes Verständnis für die Karzinogenese, was immer mit der Hoffnung auf neue Ansätze zur Krebstherapie verbunden ist.

In den letzten Jahren wurden bereits eine Reihe von Medikamenten eingeführt, die die Folgen des genetischen Chaos in den Krebszellen bremsen, indem sie Treibergene neutralisieren oder die Zellen von äußeren Wachstumsimpulsen abschneiden. Die Zahl der sogenannten zielgerichteten Medikamente, in der Regel Antikörper oder Kinase-Inhibitoren, hat stark zugenommen. Bei einigen Erkrankungen wie der chronischen myeloischen Leukämie wurden spekta­kuläre Erfolge erzielt, bei anderen die Überlebenszeit der Patienten verlängert.

Wirkstoffe, deren Entwicklung auf der Kenntnis genetischer Veränderungen beruhen, haben zu dem Rückgang der Krebssterblichkeit (in den Ländern, die sich die Behand­lungen leisten können) beigetragen. In den USA sollen sie zuletzt sogar den Trend zu einer sinkenden Lebenserwartung gestoppt haben.

Das PCAWG-Projekt („Pan-Cancer Analysis of Whole Genomes“) könnte deshalb zu einer Fundgrube für neue therapeutische Ansätze werden. Es handelt sich um eine Fortsetzung des Internationalen Krebsgenom-Konsortiums (ICGC), das im „The Cancer Genome Atlas“ die charakteristischen Mutationen der 50 wichtigsten Krebsarten vorgestellt hatte. Inzwischen liegt die Zahl der entzifferten Tumorgenome bei mehr als 22.000.

Bei den meisten Genom-Analysen wurde bisher nur das Exom analysiert. Es enthält die Anleitungen für den Bau von weniger als 20.000 Proteinen, die den menschlichen Körper aufbauen und am Leben erhalten. Die übrigen 99 % des Genoms wurden lange als „Müll der Evolution“ eingestuft. Dies hat sich grundlegend geändert, da viele Gene, die sich außerhalb des Exoms befinden, regulierend in den Zellstoffwechsel eingreifen.

In seiner Übersicht der Ergebnisse in Nature (2020; 578: 82-93) berichtet das Konsortium, dass jedes Krebsgenom im Durchschnitt 4 bis 5 Treibermutationen enthält, die den Krebszellen einen selektiven Vorteil verschaffen. Nur etwa 5 % der untersuchten Tumore wiesen keine identifizierten Treiberaberrationen auf.

Bei den anderen kam es zu unterschiedlichen „Genomkatastrophen“, die die Forscher als „Chromothripsie“ oder „Chromoplexie“ bezeichnen. Bei der Chromothripsie kommt es zu einer scheinbar wahllosen Umlagerung von Abschnitten zwischen den einzelnen Chro­mo­somen. Bei der Chromoplexie verbinden sich die Abschnitte zu neuen Strukturen außerhalb der Chromosomen.

Die übrigen Publikationen befassen sich mit einzelnen Aspekten der genetischen Verän­derungen in den Krebszellen. Esther Rheinbay vom Broad Institute in Cambridge/Massa­chusetts und Mitarbeiter haben sich auf sie Suche nach Treibergenen außerhalb der Exome gemacht.

Die Forscher konnten laut ihrem Bericht in Nature (2020; 578: 102-111) einige bekannte Treibergene bestätigen, andere, etwa in dem bekannten Onkogen TP53, wurden infrage gestellt. Insgesamt scheinen die Treibermutationen weniger häufig aufzutreten als in den Exomen. Das Projekt ist jedoch noch nicht abgeschlossen, und es erscheint den Forschern möglich, dass noch weitere Treibergene gefunden werden.

Am Anfang einer Krebserkrankungen stehen nach heutigem Verständnis einzelne Beschädigung der Genoms. Mit der Zeit kommt es jedoch zu einer Vielzahl von Verän­derungen, zu denen neben Mutationen auch Deletionen und Insertionen gehören. Ihre Gesamtheit bildet bei vielen Tumoren sogenannte „Signaturen“, durch welche die Tumore von anderen unterschieden werden könnten.

Die Entdeckung von „Signaturen“ kann beispielsweise zu einer neuen Einteilung von Tumoren führen, die immer dann sinnvoll ist, wenn sich die Krebse durch eine bestimmte Signatur in ihrem Wachstum oder besser noch im Ansprechen auf die Therapie von anderen unterscheiden.

2 Forscherteams, einmal Ludmil Alexandrov vom Moores Cancer Center in San Diego und zum anderen Yilong Li und Mitarbeiter vom Wellcome Trust Sanger Institute Hinxton stellen in Nature (2020; 578: 94-101 und 112-121) insgesamt 97 solcher Signaturen vor. Wenn immer wieder die gleichen Signaturen auftreten, muss dies eine zugrunde liegende Ursache haben.

Die Forscher haben erste Erklärungen gefunden. So waren Mutationen in DNA-Reparatur­genen mit charakteristischen Krebssignaturen assoziiert. Diese Erkenntnisse könnten die Mechanismen der Krebsentstehung logisch begreifbar machen und vielleicht auch bei der Entwicklung von Behandlungsstrategien helfen.

Moritz Gerstung vom European Bioinformatics Institute in Cambridge/England und Mit­arbeiter zeichnen in Nature (2020; 578: 122-128) mit einer Methode der „Kohlenstoff­datierung“ die zeitliche Entwicklung einzelner Krebserkrankungen nach. Die frühe Onkogenese ist danach durch Mutationen in einer begrenzten Anzahl von Treibergenen gekennzeichnet sowie durch bestimmte Zuwächse in der Zahl der Genkopien. Beispiele sind die Trisomie 7 beim Glioblastom und das Isochromosom 17q beim Medulloblastom.

Bei 4 % der Tumore veränderte sich das Mutationsspektrum im Verlauf der Tumorent­wicklung deutlich. In den späten Stadien kommt es zu einer Diversifizierung der Treiber­gene und die genomische Instabilität nimmt zu. Veränderungen in der Zahl der Genko­pien treten häufig in „mitotischen Krisen“ auf, in denen die Zahl der Chromosomen­segmente zunimmt.

Timing-Analysen legen laut der Studie nahe, dass Treibermutationen der Diagnose oftmals um viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vorausgehen. Die neuen Erkenntnisse könnten Einfluss auf die Krebsfrüherkennung haben, wenn sich beispielsweise die frühen Mutationen in Blutproben nachweisen ließen.

Mutationen allein erzeugen noch keinen Krebs. Um eine schädliche Wirkung zu erzielen, müssen sie in defekte Proteine umgesetzt werden oder die Regulierungen anderer Gene ungünstig beeinflussen.

Dieser Frage ging die „PCAWG Transcriptome Core Group“ in einer Analyse der Transkrip­tome von 1.188 Proben nach. Laut ihrem Bericht in Nature (2020; 578: 129-136) wirkt sich vor allem die Zunahme der Genkopien stimulierend auf die Krebsentwicklung aus. Wird das falsche Gen mehrfach abgelesen, kann dies offenbar den Stoffwechsel innerhalb einer Zelle in eine ungünstige Richtung lenken.

Da die Entwicklung von Malignomen auf einer ungehinderten Zellteilung beruht, müssen Mechanismen außer Kraft gesetzt werden, die normalerweise die Zahl der Mitosen begren­zen. Zu diesen Mechanismen gehört die Verkürzung der Telomere. Sie sind beim gesunden Menschen für die Alterung verantwortlich.

Da Tumore nach Unsterblichkeit streben (die sie allerdings nach dem Tod des Patienten nicht erreichen), verhindern sie die Verkürzung der Telomere durch eine Aktivierung des Enzyms Telomerase.

Die Aktivierung ist laut einem Bericht von Lina Sieverling vom Deutschen Krebsfor­schung­szentrum (DKFZ) in Heidelberg und Mitarbeitern in Nature Communications (2020; doi: 10.1038/s41467-019-13824-9) so stark, dass bei 1/4 der Tumore die Telomer-Gene auch außerhalb der Endkappen, wo sie sich normalerweise befinden, eingebaut werden. Im Spätstadium steigt der Anteil sogar auf 80 %. Dies zeigt letztlich, wie wichtig die Telomere für das Überleben von Krebstumoren sind.

Etwa 15 % aller Krebserkrankungen werden durch Viren, Bakterien oder Würmer verursacht. Viren hinterlassen dabei häufig genetische Spuren im Tumor, denen Marc Zapatka vom DKFZ und Mitarbeiter nachgegangen sind.

Laut dem Bericht in Nature Genetics (2020; doi: 10.1038/s41588-019-0558-9) wurden in 356 Malignomen Spuren von 23 verschiedenen Virusarten gefunden. In 5,5 % der unter­suchten Krebsgenome fand sich das Erbgut von Epstein-Barr Viren, die als Verursacher zahlreicher Krebsarten insbesondere Lymphomen sowie Krebserkrankungen des Magens und des Nasen-Rachenraums bekannt sind.

Hepatitis B Virus-DNA wurde bei 62 der insgesamt 330 Fälle von Leberkrebs gefunden. Humane Papillomviren fanden die Forscher vor allem bei Gebärmutterhalskrebs (bei 19 von 20 untersuchten Krebsfällen) und Hals/Rachen-Tumoren (bei 18 von 57 Fällen). Die Hoffnung der Forscher auf neue bisher unbekannte Viren zu stoßen, erfüllte sich trotz der sorgfältigen bioinformatischen Analyse allerdings nicht. © rme/aerzteblatt.de

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