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/dpa
Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seine umstrittene Prognose verteidigt, dass Krebs in zehn bis 20 Jahren besiegt werden kann. „Wir wollen den Krebs besiegen, indem wir ihn beherrschen. Das wird nicht leicht. Aber gerade deshalb müssen wir es mutig und ambitioniert versuchen“, sagte er der Rhein-Neckar-Zeitung. Er verwies darauf, dass Vorsorge, Früherkennung, Therapie und Forschung große Fortschritte machten.
Spahn zog Parallelen zum Kampf gegen Aids. „Wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass die Lebenserwartung mit einer gut behandelten HIV-Infektion so hoch sein kann wie ohne Infektion?“, fragte er. Dank erfolgreicher Präventionsarbeit gehöre Deutschland zu den Ländern mit den niedrigsten HIV-Neuinfektionsraten weltweit. „Das gibt doch Zuversicht, dass wir einen Unterschied machen können.“
Ambitionierte Ziele stecken
Im Bayerischen Rundfunk betonte Spahn, er wolle „überhaupt keine Illusionen wecken“. Er finde aber, man sollte sich ambitionierte Ziele stecken. „Es geht nicht darum, dass überhaupt kein Krebs mehr entsteht. Aber es geht darum, dem Krebs so weit es geht den Schrecken zu nehmen, weil es eben bessere Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten, bessere Früherkennung und Prävention gibt.“
Spahn hatte vergangene Woche mit der Prognose für Verärgerung gesorgt, dass er Krebs in zehn bis 20 Jahren für besiegbar halte. Experten äußerten erhebliche Zweifel und warnten davor, falsche Hoffnungen zu wecken. „Das ist eine sehr allgemeine Hoffnung, die so einfach nicht funktioniert“, sagte Ulrich Keilholz von der Berliner Charité den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bereits in den 1960er-Jahren habe es diese Aussage in den USA gegeben und auch danach immer wieder mal. „Aber diese Aussagen waren eher politisch motiviert als wissenschaftlich fundiert“, sagte der Onkologe.
Versprechungen führen nur zu Enttäuschungen
Der Direktor des Cancer Centers am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Carsten Bokemeyer, widersprach Spahn. Zwar werde es in den kommenden zehn Jahren enorme Fortschritte bei der Therapie geben, aber „Krebs ist auch eine Geißel der Menschheit, die in den Zellen angelegt ist“, sagte Bokemeyer. Bei der Behandlung von Krebs liege das Problem häufig in der Resistenz, fügte er hinzu. „Krebszellen entwickeln mit jeder neuen Therapie Mechanismen, um sich gegen den Angriff auf sie zu wehren.“
Auch aus der Politik kam Widerspruch. Sie halte nichts von solchen vollmundigen Ankündigungen, sagte Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) heute beim 1. Deutschen Krebsforschungskongress in Heidelberg. Solche Äußerungen führten nur zu Enttäuschungen, sagte sie. Zwar werde es relevanten Fortschritte in der Krebsbekämpfung in den nächsten Jahren geben. „Aber damit wird sich das Thema nicht erledigt haben“, sagte Bauer. Sie könne die Ungeduld verstehen, aber man dürfe den Menschen keinen Sand in die Augen reiben. Damit werde ein grundlegender Vertrauensverlust in Wissenschaft und Politik riskiert.
Der Vorstandschef des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Michael Baumann, machte heute klar: „Wir werden Krebs nicht in zehn Jahren beseitigen können.“ Er betonte, Krebserkrankungen würden in Deutschland in den nächsten Jahren erheblich zunehmen: Angesichts von bereits 500.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland könne man von einem „Tsunami“ sprechen, sagte Baumann. Gemeinsam mit allen Beteiligten gelte es, das Menschenmögliche zu unternehmen – von Prävention über Früherkennung bis zum Nutzen künstlicher Intelligenz. Damit solle der Krankheit Paroli geboten werden. Die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe und das DKFZ richteten den Krebsforschungskongress (DKFK) gemeinsam aus – als erste Maßnahme der „Dekade gegen Krebs“.
Präventionsforschung notwendig
Zum Weltkrebstag haben Experten die Notwendigkeit einer stärkeren Präventionsforschung bekräftigt. Gerade im Bereich der Krebsrisikofaktoren fehle noch viel Klarheit, erklärte Gerd Nettekoven, Vorstandschef der Deutschen Krebshilfe. Die Präventionsforschung müsse in Deutschland einen viel höheren Stellenwert erhalten als bisher, forderte er. Verstärkte Krebsforschung sei notwendig, um die Versorgung Betroffener weiter zu verbessern, und „wirksamere Möglichkeiten der Krebsprävention“ zu finden.
Als ein wichtiges Forschungsfeld nannte Frederik Wenz vom Vorstand der Deutschen Krebsgesellschaft die Tumorimmunologie. „Immuntherapien haben in den letzten Jahren die Behandlung einiger Krebsarten geradezu revolutioniert“, erklärte er in Heidelberg. Den teilweise spektakulären Heilungserfolgen stünden aber zahlreiche Patienten gegenüber, die von der Behandlung nicht profitierten. „Woran das liegt und wie man hier Abhilfe schaffen kann, gehört zu den dringendsten Fragen der Krebsforschung“, erklärte Wenz.
Krebsvorsorge noch zu wenig genutzt
Unterdessen riefen mehrere Landesgesundheitsminister die Menschen in Deutschland dazu auf, verstärkt die Krebsfrüherkennungsangebote zu nutzen. Hautkrebsscreening oder eine Darmspiegelung sollten regelmäßig zur Vorsorge genutzt werden, sagte Brandenburgs Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Linke) anlässlich des heutigen Weltkrebstags. Je früher eine Erkrankung erkannt und behandelt werde, desto größer seien die Heilungschancen. „Viele Krebsarten sind heilbar, wenn sie rechtzeitig erkannt werden“, sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CDU). Deshalb sollten Vorsorgeuntersuchungen nicht aus Angst vor schlechten Nachrichten gemieden werden.
Nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist Krebs den Angaben zufolge die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Männer erkranken meist neu an Prostata-, Lungen- und Darmkrebs, Frauen an Brust-, Darm- und Lungenkrebs. © dpa/afp/may/aerzteblatt.de
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