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Christian Lindner (r), Bundesvorsitzender der FDP, und Volker Wissing, FDP-Generalsekretär, stellen im Hans-Dietrich-Genscher-Haus den Entwurf des Bundestagswahlprogramms vor. /picture alliance, Bernd von Jutrczenka

Berlin – Liberale Sterbehilfe, mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen, weniger Bürokratie, kontroll­ier­te Freigabe von Cannabis. Das sieht ein Programmentwurf der Freien Demokraten (FDP) zur Gesund­heitspolitik vor, der heute vorgelegt wurde. Die FDP will auch Reformen bei der Fortpflanzungsmedizin. Am System von gesetzlicher (GKV) und privater (PKV) Kran­ken­ver­siche­rung rüttelt die FDP nicht, sie will aber den Wechsel zwischen den Syste­men vereinfachen.

In der Einleitung zum Kapitel Gesundheit schreibt die Partei, die Coronapandemie habe gezeigt, wie wichtig ein funktionierendes Gesundheitssystem sei. Man wolle allen Menschen eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige medi­zinische Versorgung sichern. Zugleich will die FDP die Chancen des medizi­nischen und digitalen Fort­schritts nutzen und das Gesundheitssystem an die demografische Entwicklung und mögliche Pandemien in der Zukunft anpassen.

Um das zu erreichen, legt die FDP im Parteiprogramm zahlreiche kleine Vorhaben offen, ohne jedoch allzu detailliert auf die Vorhaben einzugehen. Für die Krankenhausfinanzierung ist aus Sicht der FDP zum Beispiel eine nachhaltige Verbesserung der Investitionsfinanzierung für maximalversorgende und kleinere spe­zialisierte Krankenhäuser notwendig.

Eine höhere Qualität müsse durch das Vergütungssystem belohnt werden, schreibt sie. Die Struktur­re­form im stationären Sektor solle verantwortungsvoll weiterentwickelt, Fehlanreize wie Überversorgung und ein Überangebot an Krankenhausleistungen müssten bereinigt werden.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) sollte aus Sicht der FDP politisch unabhängiger werden. „Der Präsident und ein neu zu schaffender Vorstand sollen in fachlichen Fragen weisungsunabhängig sein“, so die Par­tei. Der Staat müsse auf pandemische Notlagen mit verhältnismäßigen Maßnahmen reagieren können. Dazu bedürfe es einer klaren rechtlichen Definition. „Das RKI darf keine politikabhängige Behörde sein, sondern ist nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank zu einer unabhängigen Institution umzuwan­deln“, so die FDP.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wollen die Freien Demokraten vorantreiben. Notwendig dafür seien offene Standards, Interoperabilität und Datensicherheit. Die Vernetzung muss allen Gesundheits­akteuren und Patienten betreffen. Nur so sei eine schnelle Verfügbarkeit der Patientendaten sicherzu­stellen.

In puncto Entbürokratisierung des Gesundheitswesens fordert die FDP eine „Bepreisung“ der Bürokratie- und Berichtspflichten. Bezahlen sollte sie künftig derjenige, der sie anfordere, heißt es. Dies schärfe den Fokus auf die Behandlung und Pflege von Patienten und verhindert kleinteilige Gesetze und Verordnun­gen.

Lizensierter Verkauf von Cannabis

Beim Cannabiskonsum will die FDP eine kontrollierte Freigabe. Besitz und Konsum soll für volljährige Personen erlaubt werden. Der Verkauf soll in lizenzierten Geschäften stattfinden. Wenn Cannabis ähnlich wie Zigaretten besteuert würde, könnten jährlich bis zu einer Milliarde Euro eingenommen werden, heißt es weiter. Das zusätzliche Geld soll für Prävention, Suchtbehandlung und Beratung eingesetzt werden.

Die FDP ist der Auffassung, dass das bestehende Verbot von Cannabis Menschen kriminali­siert, immense Polizeiressourcen bindet und durch illegalen Kontakt zu Dealern den Einstieg zu härteren Drogen er­leich­tert.

Wichtig ist für die FDP weiterhin eine Stärkung der freien Berufe. „Niedergelassene Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Heilmittelerbringer und Hebammen müssen in medizinischen Fragen autonom und frei von Weisungen Dritter entscheiden können“, so die FDP in ihrem Wahlprogrammentwurf. Die Thera­piefreiheit der Behandlung ohne Budgetierungszwang komme den Patienten zugute. Freiheit und Ver­antwortung seien „die Basis der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient“.

In der aktuellen Debatte um die Sterbehilfe behält die FDP ihre liberale Position bei. Ein Gesetz muss für die Partei klar regeln, unter welchen Voraussetzungen Menschen Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch neh­men und leisten dürfen. Es müsse auch die Möglichkeit geben, ein letal wirkendes Medikament zu erhal­ten. „Voraussetzung muss sein, dass der Wunsch frei und eigenverantwortlich sowie im Vollbesitz der geis­tigen Kräfte gebildet wurde. Für uns gilt das Selbstbestimmungsrecht auch am Lebensende.“

Weitere Vorhaben der FDP sind eine bessere Verzahnung und Vernetzung aller Versorgungsbereiche und ein Abbau der ambulant-stationären Sektorengrenze, die Verringerung der Wartezeiten in der Psycho­the­rapie, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. In der Pflege will die FDP die Arbeitsbedingungen verbessern und die Pflegeausbildung reformieren.

Die Finanzierung der Pflege will die FDP auf ein Drei-Säulen-Modell bestehend aus Umlagefinanzierung, privater und betrieblicher Vorsorge einführen. Eine Pflegevollversicherung lehnt die Partei ab. Das gilt auch für eine Bürgerversicherung. Die FDP will stattdessen am bestehenden System von GKV und PKV festhalten, aber einen Wechsel vereinfachen. Wie genau, sagt die FDP nicht.

Ein wichtiges Anliegen ist den Freien Demokraten seit Jahren die Fortpflanzungsmedizin. Sie erneuert in ihrem Programm nun die Forderung nach einer Modernisierung. Die Eizellspende soll legalisiert werden. Darüber hinaus sollte klargestellt werden, dass die Embryonenspende zulässig sei. Zudem will die FDP die nichtkommerzielle Leihmutterschaft ermöglichen und dafür einen klaren Rechtsrahmen schaffen.

Die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin sollten allen Menschen unabhängig vom Familienstand und der sexuellen Orientierung zugänglich sein, schreibt die FDP, die Kinderwunschbehandlungen finanziell stärker fördern und allen zugänglich machen will.

„Die Bundesförderung darf nicht mehr von einer Landesbeteiligung abhängig sein.“ Langfristig sollten die Krankenkassen die Kosten bei Vorlage einer medizinischen Indikation wieder vollständig überneh­men. Auch Paare ohne Trauschein und Alleinstehende sollten einen Anspruch auf Förderung haben.

Nach Darstellung des Parteivorsitzenden Christian Lindner legt die FDP insgesamt ein „prägnantes, ambitioniertes, aber auch realistisches Programm“ vor. Dieses sei vom „Geist der Liberalität und Indivi­dualität“ getragen. „Es liest sich gut und es ist geeignet, vom Programmpapier unmittelbar dann auch in Gesetzestext übertragen zu werden.“ Wahlziel der Freien Demokraten sei es, dieses Programm in einer Bundesregierung umzusetzen. „Dafür wollen wir so stark zweistellig werden, dass es in unserem Land keine schwarz-grüne und keine grün-rot-rote Mehrheit gibt.“

Die FDP habe mit ihrem Programm einen „Gegenimpuls“ vorgelegt, betonte Lindner. „Als einzige der im Parlament vertretenen Partei wollen wir nicht immer nur den Staat stark machen, sondern jede Einzelne und jeden Einzelnen.“ Ihnen wolle die FDP „die Pilotensessel des Lebens zurückgeben“, den Staat wolle sie „zu einem Partner machen, aber eben nicht zu einem Vormund, der alles besser weiß“. Der Entwurf soll Mitte Mai von einem Bundesparteitag diskutiert und beschlossen werden. © may/dpa/aerzteblatt.de

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