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Die psychotrope Substanz Delta-9-trans-Tetrahydrocannabinol (Δ9-Tetrahydrocannabinol) bindet an Cannabinoid-Rezeptoren und wirkt dadurch unter anderem schmerzlindernd, muskelrelaxierend, appetitstimulierend und psychotrop. /Wut ti kit, stock.adobe.com
Monserrato – Der Konsum des Cannabiswirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) beeinflusst bei schwangeren Ratten das dopaminerge System des männlichen Nachwuchses. Damit konnten Forscher der University of Cagliari in Italien den bereits bestehenden Verdacht einer Entwicklungsbeeinflussung des Ungeborenen unabhängig der psychosozialen Umgebung der aufwachsenden Kinder bekräftigen. Das Hormon Pregnenolon half dabei, die Störungen wieder zu beheben, berichten die Autoren in Nature Neuroscience (2019; doi: 10.1038/s41593-019-0512-2).
Sie hatten schwangeren Ratten 2 Wochen lang täglich 2 mg/kg THC injiziert. Das entspricht etwa dem Gehalt einer milden Cannabiszigarette. Anschließend konnten die Forscher bei den männlichen Nachkommen exponierter Muttertiere vielfältige molekulare, zelluläre und synaptische Veränderungen beobachten, die nachhaltig die dopaminerge Signalübertragung im Gehirn beeinflussten. Darüber hinaus zeigten betroffene Tiere nach ihrer Geburt Verhaltensauffälligkeiten und sensomotorische Defizite.
„Diese ausgiebigen Veränderungen führen zu einem hyperdopaminergen Zustand mit verstärkter Sensibilität gegenüber THC in der späteren Präadoleszenz, der offensichtlich mit einer adaptiven verminderten Expression der Dopamin-2-Rezeptorgene verbunden ist“, erklärt Ursula Havemann-Reinecke, Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen. In eigenen Untersuchungen mit einem synthetischen Cannabinoid, das vergleichbar zu THC wirke, konnte ihr Forscherteam in adulten Nagern ebenfalls eine durch diesen Wirkstoff verursachte (adaptive) verminderte Expression der Dopamin-2-Rezeptorgene messen (CNS Neuroscience Therapy 2018).
Es sei aufgrund dieser Befunde nachvollziehbar, dass THC in der Schwangerschaft das Risiko für den Nachwuchs erhöhe, später eine Suchterkrankung und/oder eine Psychose zu erleiden, sagt die Ärztin aus Göttingen.
Pregnenolon unterdrückt THC-induzierte Dopaminfreisetzung
Die Störungen konnten nach Behandlung mit Pregnenolon aber auch wieder behoben werden. Pregnenolon, ein Vorläufermolekül des Sexualhormons Progesteron, blockiert in Tierversuchen mit Mäusen und Ratten den Cannabinoid-Rezeptor Typ 1, der unter anderem durch THC aktiviert wird. Die Rattenkinder hatten das Hormon über 9 Tage eingenommen.
„Damit wirkt Pregnenolon zwar dem THC-Effekt auf der Ebene der Rezeptoren entgegen, ob damit aber die Einflüsse eines Dauerkonsums von Cannabis in der Schwangerschaft beseitigt werden können, müsste erst durch Untersuchungen beim Menschen bestätigt werden“, gibt Wolfgang E. Paulus, Oberarzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie am Universitätsfrauenklinik Ulm zu Bedenken. Eine rasche Klärung des möglichen Effekts sei sicher nicht zu erwarten. Einstweilen gelte die Empfehlung, in der Schwangerschaft auf Cannabis zu verzichten. Das wäre sinnvoller als eventuelle Schäden beim Kind später durch Gegenmittel zu behandeln, so Paulus.
In Österreich, Deutschland und der Schweiz ist Pregnenolon über das Internet als ‚naturidentes Hormon‘ frei erhältlich (over-the-counter, OTC). In den USA sei das Vorläufermolekül des Sexualhormons Progesteron hingegen von der US Food and Drug Administration (FDA) als Arzneimittel zugelassen und würde derzeit in mehreren Studien untersucht, teilt Erstautorin Miriam Melis auf Nachfrage mit. Untersucht wird unter anderem die postnatale Verabreichung von Pregnenolon bei Cannabisabhängigkeit (ClinicalTrials.gov: NCT02811939), Schizophrenie (NCT00728728728 und NCT00615511), Autismus (NCT01881737 und NCT02627508), sowie bipolaren Störungen (NCT00223197 und NCT01409096).
„Der verwandte Progesteron-Metabolit Allopregnanolon (Brexanolon) wurde kürzlich von der US-Zulassungsbehörde FDA als Infusion für die kurzfristige Behandlung der Wochenbettdepression zugelassen, allerdings unter strengen Vorsichtsmaßnahmen wegen der Gefahr einer starken Sedierung und eines plötzlichen Bewusstseinsverlustes“, berichtet zudem der Ulmer Arzt, Paulus.
Cannabis ist die weltweit am meisten konsumierte Droge. Obwohl in Deutschland nicht als Genussmittel legalisiert, ist auch hierzulande der Konsum – speziell unter Frauen – deutlich gestiegen (Epidemiologische Suchtsurvey 2019). Zu den Konsumentinnen zählen vermutlich auch einige Schwangere, insbesondere, wenn ihr Zustand noch unbekannt ist.
In manchen Ländern wird Cannabis darüber hinaus gezielt zur medizinischen Behandlung von Schwangerschaftsübelkeit eingesetzt. Obwohl solche Präparate in Deutschland für Schwangere nicht empfohlen werden, können Frauen womöglich anderweitig mit hohen THC-Dosen in Kontakt kommen. So übersteigt etwa der THC-Gehalt hanfhaltiger Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel häufig die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfohlenen Richtwerte. Über ihren Verzehr könnten Experten zufolge sogar solche Mengen erreicht werden, die in Arzneimitteln eingesetzt werden. © gie/aerzteblatt.de
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