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Berlin – Die Mehrzahl von Experten hält den Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen bei der Verordnung von medizinischem Cannabis für Patienten mit schwerwiegenden Er­krankungen für sinnvoll. Anlässlich einer Sachverständigenanhörung im Gesundheitsaus­schuss des Bundestages machten gestern Bundes­ärzte­kammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sowie GKV-Spitzenverband deutlich, dass ein Verzicht auf den Genehmigungsvorbehalt mit zusätzlichen Risiken für Ärzte verbunden wäre.

Anlass für die Anhörung waren zwei Gesetzentwürfe, die im Wesentlichen eine erleich­terte Verordnung von medizinischem Cannabis für Patienten mit schwerwiegenden Er­kran­kungen fordern. Die Fraktionen der Grünen und Linken fordern, den Genehmigungs­vorbehalt der Krankenkassen aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) V zu streichen. Die Fraktion der FDP will darüber hinaus in einem Antrag den Anbau von Medizinalcannabis in Deutschland zum Export ermöglichen. In einem weiteren Antrag fordert die AfD-Fraktion eine wissenschaftliche Nutzenbewertung für Medizinalcannabis analog dem Arzneimittelrecht.

Der Genehmigungsvorbehalt habe sich in der Praxis nicht bewährt; er könne dazu führen, dass die Linderung der Beschwerden von Patienten hinausgezögert oder gänzlich verhin­dert werden, argumentieren die Grünen. Die Begründung des Gesetzes mit dem im März 2017 die Grundlage für die Verordnung von Cannabis als Medizin geschaffen wurde, habe vorgesehen, dass die Entscheidung über die Behandlung von Patienten mit Cannabis Ärzten obliege. Die Therapie werde Ärzten aber erheblich erschwert, heißt es in der Be­gründung weiter, denn: „Die Möglichkeit, eine passgenaue Medikation durch Ausprobie­ren verschiedener Cannabissorten zu finden, wird quasi verhindert, da für jede neue Erstverordnung ein weiteres Genehmigungsverfahren durchlaufen werden muss.“

Die Linke weist darüber hinaus darauf hin, dass der Genehmigungsvorbehalt für behan­delnde Ärzte mit einem enormen bürokratischen Aufwand verbunden sei und so eine medizinisch sachgerechte Verschreibungspraxis behindert werde. „Diese Praxis unterläuft die Therapiehoheit der Ärzteschaft“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die Genehmi­gungsquote der Krankenkasse liege derzeit bei 60 Prozent der Anträge auf Kostener­stattung, eine Ablehnung sei also eher die Regel als eine Ausnahme, schreiben die Abgeordneten.

BÄK: Bürokratischer Aufwand bei erneuter Genehmigung zu hoch

Der Präsident der Sächsischen Lan­des­ärz­te­kam­mer, Erik Bodendieck, lehnte die Aufhe­bung des Genehmigungsvorbehalts ab. Cannabis in Form von Blüten und Extrakten habe nicht die Voraussetzungen, die sonst an Arzneimittel gestellt werden. „Wir haben derzeit keine allgemeine Evidenz für die Verwendung von Cannabis als Medikament“, sagte Bo­den­dieck, der auch Mitglied im Ausschuss Sucht und Drogen der BÄK ist. Der bürokrati­sche Aufwand bei der Einholung einer erneuten Genehmigung, wie von den Grünen ge­fordert, könne aber durchaus eingespart werden.

Bodendieck betonte, dass standardisierten Rezepturarzneimitteln und Arzneimitteln wie Dronabinol und Sativex der Vorzug vor der Verordnung von Cannabisblüten gegeben werden sollte: „Die Verordnung von Blüten ist ungleich schwieriger, weil eine exakte Dosierung bei diesem Naturprodukt kaum möglich ist.“

Auch die KBV lehnt in einer Stellungnahme zur Anhörung eine Aufhebung des Genehmi­gungsvorbehalts ab. Die jetzige Regelung erhöhe die Sicherheit für die Ärzte, da sich diese dann nicht gegenüber den Krankenkassen in Wirtschaftlichkeitsprüfungen recht­fertigen müssten, Cannabispräparate verordnet zu haben. Nachvollziehbar sei die Forde­rung, dass bei einem Wechsel der Cannabissorte zur optimalen Einstellung der Patienten keine erneute Genehmigung der Kassen erforderlich sei. Eine solche Neuregelung sei in einem kommenden Gesetzentwurf vorgesehen.

Der GKV-Spitzenverband erklärte in seiner Stellungnahme, angesichts der „enttäuschen­den Evidenzlage“ diene die nachrangige Versorgung mit Cannabisarzneimitteln dem Schutz der Patienten vor nicht ausreichenden Therapien. Mit der Vorabprüfung durch die Kassen könne auch sichergestellt werden, „dass die Indikationsstellung des Vertrags­arz­tes den gesetzlichen, medizinischen und im weiteren Sinn wirtschaftlichen Anforderun­gen gerecht“ werde.

Cannabis ist kein Ersatz für Opioide in der Schmerztherapie

Der Vertreter der Arznei­mittel­kommission der Ärzteschaft (AKdÄ), Lukas Radbruch, erläu­terte, dass medizinisches Cannabis nur „einigen wenigen Patienten hilft“. Hinweise für eine Wirksamkeit gebe es vor allem bei der Behandlung von spastischen Schmerzen bei Multipler Sklerose, bei Patienten mit Übelkeit unter einer Chemotherapie sowie in der Schmerztherapie.

Als Ersatz für Opioide komme Cannabis hier aber „auf keinen Fall“ infrage. „Schmerzen lassen sich mit Cannabis im Vergleich zur Opiattherapie nicht reduzieren und auch die Opiatdosis kann dadurch nicht reduziert werden“, erklärte Radbruch. Die Linke hatte in ihrem Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass „angesichts der bekannten Gefahren und Risiken von Opioiden in der Schmerztherapie“ Cannabis eine mögliche Alternative zu diesen darstellen könnte.

Mehr Geld für Wirksamkeitsforschung notwendig

Als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) weist Radbruch darauf hin, dass Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis insbesondere im Vergleich zu anderen Behandlungsverfahren fehlen und deshalb dringend mehr Geld für Forschung benötigt werde. Die Genehmigungspflicht schütze den Arzt grundsätzlich vor nachträglichen Überprüfungen und sollte deshalb beibehalten werden. Bei einem Wechsel des Präparats sollte auf eine erneute Genehmigung jedoch verzichtet werden, forderte auch Radbruch.

Auch im Niedrigdosisbereich, beispielsweise bei der Behandlung von geriatrisch-multi­mor­biden Patienten, sollte auf den Genehmigungsvorbehalt verzichtet werden, forderte der Einzelsachverständige Knud Gastmeier, Anästhesist und Schmerztherapeut. „Der büro­kratische Aufwand steht hier in keinem Verhältnis“, sagte er.

Cannabisproduktion in Deutschland zur Bedarfsdeckung und zum Export

Mehrere Sachverständige befürworteten, in Deutschland produziertes Cannabis auch für den Export vorzusehen, wie die FDP dies in ihrem Antrag gefordert hat.  Dies würde die Versorgungssicherheit erhöhen, sagte der Einzelsachverständige Jan P. Witte.

Der Arzt argumentierte, es sei absehbar, dass die zur Produktion ausgeschriebenen Mengen nicht ausreichten, um den inländischen Bedarf zu decken. „Rund 40 Prozent der Patienten beschaffen sich deshalb Cannabis anscheinend auf dem Schwarzmarkt“, sagte Witte mit Verweis auf eine Studie der Universität des Saarlands, die hierzu behandelnde Ärzte befragt hat.

Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) sind viele der mit dem Gesetz vom März 2017 gewünschten Veränderungen nicht in der Praxis angekommen. So erhielten immer noch zahlreiche Patienten keine Behandlung mit Cannabis, etwa, weil sie keinen Arzt fänden, der ihnen solche Medikamente verschreibe oder Lieferengpässe für Cannabisblüten eine konstante Therapie verhinderten.

Auch lehnten Krankenkassen immer wieder eine Kostenübernahme ab, weil Erkrankungen nicht als schwerwiegend eingestuft würden. Die Forderung, Medizinalcannabis wie andere Arzneimittel zu behandeln, sei im Ansatz richtig, aber rechtlich schwer umsetzbar, erklärte die ACM, denn Cannabis sei keine Heilpflanze wie jede andere. © PB/aerzteblatt.de

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